Mehrere Personen sitzen in einem Gerichtssaal.
Am dritten Verhandlungstag im Prozess um den tödlichen Bob-Unfall in Oberhof wurden erneut die Sicherheitsvorkehrungen thematisiert. Ein Urteil wird nächsten Dienstag erwartet. Bildrechte: MDR/Tino Geist

Justiz Prozess um tödlichen Bob-Unfall in Oberhof: Pilot schildert seine Erlebnisse

08. Mai 2024, 13:54 Uhr

Am dritten Verhandlungstag im Prozess um den tödlichen Bob-Unfall in Oberhof wurden erneut die Sicherheitsvorkehrungen am Eiskanal kritisiert. Die Angeklagte wurde zudem zu ihrer persönlichen Situation befragt. Auch der Pilot des Bobs, der vor mehr als einem Jahr mit einem Ice-Tube kollidiert war, kam zu Wort. Ein Urteil wird am nächsten Dienstag erwartet.

Im Prozess um den tödlichen Bobunfall im Oberhofer Eiskanal sind weitere Zeugen gehört und Videoaufnahmen gezeigt worden. So sagten am Dienstag unter anderem ein ehrenamtlicher Helfer und der Pilot des Bobs aus. Zudem gab es erneut Kritik an der Sicherheit der Bahn. Auch die Angeklagte, der fahrlässige Tötung vorgeworfen wird, wurde noch einmal zu ihrer persönlichen Situation befragt. Anschließend wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Am nächsten Dienstag werden die Plädoyers und das Urteil erwartet. Das mögliche Strafmaß reicht von einer Geldstrafe bis hin zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe.

Der Helfer, der damals im Zielbereich stand, gab an, dass unmittelbar nach dem Doppelschlauchring im Ziel auch der Bob von hinten angerast kam. Er habe nichts mehr tun können. Er habe vom Veranstalter der Fahrten oder vom Rodelverein keinerlei Einweisung bekommen. Zuvor habe er bereits ähnliche Touristenfahrten betreut, sich aber nie Gedanken über mögliche Haftungsfragen gemacht. Nach dem Unfall begab er sich nach eigenen Angaben in psychische Behandlung, um das Erlebte verkraften zu können. Die Betreuung solcher Fahrten werde er in Zukunft nicht wieder übernehmen.

Videos zeigen Geschehen vor der Todesfahrt

Zudem wurden weitere Videos gezeigt. Dabei ging es unter anderem um die Gespräche zwischen den Gästen und den ehrenamtlichen Helferinnen, die am Start der Ice-Tubes im Einsatz waren. In den Aufnahmen ist zu hören, wie vor dem Start eine lockere Stimmung herrschte. Ein Beteiligter sagte aus Spaß, dass man bei der rasanten Fahrt durch den Eiskanal "richtig laut schreien" soll.

Unklarheiten gab es vor dem Start offenbar darüber, wie viele Schlauchringe abfahren sollten. Die Gruppe von insgesamt sechs Personen hatte sich vorab über das Internet für das Event angemeldet. Anfangs seien nur vier Personen für die Fahrt angemeldet gewesen. Die anderen hätten ihre Tickets vor Ort noch kaufen können, hieß es in den Zeugenaussagen.

Rettungskräfte an Bob- und Rennrodelbahn in Oberhof
Einsatz der Feuerwehr und von Rettungsdiensten am Tag des Unglücks in Oberhof Bildrechte: MDR/News5/Steffen Ittig

Zeuge kritisiert Sicherheit der Bobbahn

Die mit Luft gefüllten Reifen können mehrfach gekoppelt werden. Deswegen wären für die insgesamt sechs Personen zwei oder drei Fahrten möglich gewesen. Die Gästebetreuerinnen hätten angeboten, auch drei statt nur zwei Fahrten zu ermöglichen, also mit jeweils zwei Mitfahrern. Die Nebenklage vermutete daraufhin, dass schon hier durch die Gästebetreuerinnen fahrlässig gehandelt wurde. Die Angeklagte sagte später jedoch aus, dass sie insgesamt drei Tube-Ketten beim Bahnsprecher angemeldet hatte.

Ein Zeuge, der kurz vor dem Unfall mit den Schlauchringen unterwegs war, übte scharfe Kritik an der Sicherheit der Bahn. Als Nutzer sei man ausgeliefert, sobald man auf dem Ice-Tube sitze. Die Verantwortung für das eigene Leben liege dann bei den ehrenamtlichen Helfern. Es sei Zufall gewesen, dass er nicht zum Schluss gefahren ist. Auch er hätte sterben können.

Der Zeuge hatte die Fahrt per Helmkamera aufgezeichnet. Es sei fahrlässig, dass erst Menschen sterben müssten, bevor Sicherheitsvorkehrungen eventuell verschärft werden. Außerdem sei es fahrlässig, dass andere Touristenfahrten nach dem Unfall wieder stattgefunden hätten, obwohl sich an den Sicherheitsvorkehrungen an der Bahn nichts geändert habe.

Bobpilot kritisiert touristische Angebote

Zum Abschluss des dritten Prozesstages kam auch der Pilot des Bobs zu Wort. Er war von weiter oben gestartet und kurze Zeit später im Ziel in die Schlauchringe gerast. Der Bobpilot, ein professioneller Sportler mit nach eigenen Aussagen mehreren Hundert Fahrten im Eiskanal, sagte, er setze sich generell erst in das Sportgerät, wenn die Ampel am Start Grün zeigt.

Auch am Tag des Unfalls sei das so gewesen. Er habe die grüne Ampel gesehen, dann habe er sich in den Bob gesetzt und sei losgefahren. Diese Aussage bestätigte auch ein weiterer Beteiligter am Start des Bobs.

Bob- und Rennrodelbahn in Oberhof aus der Vogelperspektive
Die Bob- und Rennrodelbahn in Oberhof aus der Vogelperspektive Bildrechte: imago/Karina Hessland

Der Bobpilot bestätigte außerdem, dass nach dem Start faktisch kein Eingreifen mehr möglich war. Selbst wenn er Kenntnis davon gehabt hätte, dass weiter unten gleichzeitig ein Ice-Tube in der Bahn ist, hätte er nichts machen können. Im Bob habe zwar ganz hinten auch ein Bremser gesessen. Jedoch sei das Bremsen des mehrere Hundert Kilo schweren Sportgerätes während der Fahrt nicht möglich.

Der Pilot kritisierte, dass es am Unfalltag verschiedene touristische Angebote an verschiedenen Starthöhen der Bahn gegeben hatte. Im Profibereich sei das zwar nichts Ungewöhnliches. Aber bei touristischen Fahrten kenne er das nur aus Oberhof.

Bereits am vergangenen Prozesstag war über die Sicherheit an der Bahn diskutiert worden. Zeugen sagten aus, dass es an der Bahn bis auf Ampeln keinerlei Vorrichtungen gebe, damit Sportgeräte nicht unberechtigt in die Bahn rutschen können. Zum Beispiel Schranken, die sich erst öffnen, wenn eine Freigabe erteilt ist.

Vergleichbares gebe es zum Beispiel an der Bahn am Königsee in Bayern. Dort seien Schranken installiert, die sich öffnen, wenn die Ampel am Start auf Grün schaltet, so der Bobpilot in seiner Aussage vor dem Amtsgericht. Der Eiskanal am Königsee ist allerdings seit Monaten nicht nutzbar. Nach einem Unwetter wird er gerade wiederaufgebaut.

Zittern am ganzen Körper: Ehrenamtliche Helferin erneut befragt

Zum Schluss der Beweisaufnahme befragte die Richterin erneut die Angeklagte zu ihrer persönlichen Situation. Mit gebrochener Stimme und einem Zittern im gesamten Körper gab die Frau an, dass sie seit dem Unfall keinen Spaß mehr am Leben habe. Sie funktioniere nur noch und habe sich zurückgezogen. Vor dem Unfall habe sie immer versucht zu helfen, egal was und wo. Das könne sie nun nicht mehr.

Auch die Nebenklage richtete sich erneut an die Angeklagte. Rechtsanwalt Juri Goldstein fragte, warum sie sich bis heute nicht an die Hinterbliebenen gewandt habe. Die Frau auf der Anklagebank erwiderte aufgelöst, dass sie nicht gewusst habe, wie sie das tun soll. Außerdem habe sie Angst gehabt, etwas falsch zu machen.

Mann stirbt bei Unfall in Eiskanal

Bereits am ersten Prozesstag hatte die Angeklagte tiefes Bedauern geäußert. Die Helferin an der Eisbahn hatte im Februar vergangenen Jahres einen Doppelschlauchring, die sogenannten Ice-Tubes, mit zwei Insassen starten lassen. Gleichzeitig fuhr weiter oben ein Gästebob an, der im Zieleinlauf in den Schlauchring fuhr.

Ein beschädigter Bob und eine kaputter Ice Tube.
Ein Vierer-Bob war bei dem Unfall in der Oberhofer Rennrodelbahn in einen Schlauchring gefahren. Bei der Kollision kam ein Mann ums Leben. Bildrechte: MDR/News5/Steffen Ittig

Bei dem Zusammenprall kam ein 45 Jahre alter Mann ums Leben, eine 41 Jahre alte Frau wurde schwer verletzt. Videoaufnahmen zeigen, dass die Frau die Ice-Tubes offenbar in die Bahn geschoben hat, obwohl die Ampel am Start noch Rot zeigte. In dem Viererbob, der in den Unfall verwickelt war, saß auch Staatssekretär Torsten Weil (Linke).

Während des Prozesses wurden auch Stimmen laut, dass noch andere Beteiligte zur Verantwortung gezogen werden müssten. Die Staatsanwaltschaft hatte dafür in den Ermittlungen aber keine Anhaltspunkte gefunden.

Mehr zum tödlichen Bobunfall in Oberhof

MDR (tig/cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 14. Mai 2024 | 19:00 Uhr

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